
Trotz aller diplomatischer Bemühungen, trotz aller Gespräche mit Vertretern europäischer Staaten und trotz eines allerletzten Appells von UN-Generalsekretär Guterres „Geben Sie Frieden eine Chance“ hat Putin seinen Truppen in der letzten Nacht den Angriffsbefehl auf die Ukraine gegeben. Bis zuletzt haben wir alle hier gehofft, dass es nicht dazu kommen würde, dass Putin mit seinen militärischen Muskelspielen lediglich versuchen wollte, den Westen zu schwächen und die europäischen Staaten zu entzweien. Dass er die Grenze wirklich überschreiten würde, konnte sich niemand vorstellen. Nun ist es geschehen und ich bin fassungslos. Die ersten Meldungen von Opfern gehen den ganzen Tag über die Medien und ich befürchte, dass noch viel mehr Menschen ihr Leben lassen werden. Sie sterben, weil ein russischer Despot Allmachtsphantasien hegt. Soldaten schießen aufeinander, weil Putin seine ganz eigene Auffassung von der Geschichte der Ukraine hegt und weil für ihn das Völkerrecht keinerlei Bedeutung besitzt. Schon 2014 verleibte er die Krim völkerrechtswidrig Russland ein, nur weil es damals in der Ukrainischen Regierung ein Machtvakuum gab. Alle darauf folgenden Sanktionen schlug er in den Wind. Gleichzeitig spart Putin nicht mit Drohungen. Wer sich seinen Truppen wiedersetzt, habe mit nie da gewesenen Konsequenzen zu rechnen. Die Vorstellung, dass Russland über riesige Arsenale mit Atomwaffen verfügt, verschärft die Situation erheblich. Niemand weiß heute, wie weit die Eskalation gehen wird und ob Putin eine Exit-Strategie verfolgt. Die Vorstellung, dass die Ukraine mit ihren fast 42 Millionen Einwohnern zur Gänze von russischen Truppen erobert und kontrolliert wird, ist für mich völlig abstrakt. Denn abgesehen von den Opferzahlen, die eine vollständige Eroberung nach sich ziehen würde, wäre eine Neuordnung Europas und ihrer Wirtschafts- und Energieströme die Folge: Es stünden russische Truppen an den Grenzen der EU und an den Grenzen der NATO.So weit kommt es hoffentlich nie. Aber wer vermag das schon mit Sicherheit zu sagen? Ich befürchte, dass wir mit allem rechnen müssen. Offenbar glaubt die russische Führung , dass alles möglich ist und Russland wirtschaftlich wie militärisch gar nicht zu besiegen sei.Mich treibt darüber hinaus die Sorge um die Familien um. Ich bin überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern wird, dass die ersten Flüchtlinge in die EU-Staaten und nach Deutschland kommen werden. Es könnte sein, dass nach 2015 erneut Menschen zu uns strömen, die nur ihr eigenes Leben retten konnten und die sich vor Repressalien, vor Verfolgung, Folter und Mord in Sicherheit bringen wollen. Denn das lehrt uns die Geschichte der militärischen Eskalationen als allererstes: Beim letzten Krieg auf europäischem Boden gab es 1991 in Jugoslawien zahllose Greueltaten, die auch UN-Blauhelmsoldaten nicht verhindern konnten. Ich fürchte, die Greuel gegen die Zivilbevölkerung hat Putin bereits einprogrammiert: Immer wieder begründete er die Unterstützung der Freischärler im Donbas und in Luhansk mit dem Genozid, dem die russische Minderheit dort angeblich ausgesetzt sei.Liebe Freundinnen und Freunde,wahrscheinlich fühlen sie sich alle genauso wie ich klein und machtlos gegenüber dieser russischen Aggression gegen die Ukraine. Und doch kann jeder einzelne etwas tun: Man kann so wie wir jetzt hier ein Zeichen setzen gegen den Krieg. Je nachdem, wie lange dieser Konflikt nun andauern wird, wird er mehr und mehr unseren Alltag durchdringen. Er wird uns auch finanziell treffen. Und wir täten gut daran, diese Bürde gemeinsam zu schultern und zusammenzustehen, wenn ein Despot in Europa versucht, international anerkannte Grenzen zu verschieben. Schon jetzt ist die Sorge um die Gasversorgung in Deutschland groß. Jetzt rächt sich, dass wir viel zu lange auf die Lieferung russischen Erdgases gebaut haben und ich bin heilfroh, dass die Pipeline North Stream 2 gar nicht erst ihre Arbeit aufgenommen hat. Elf Milliarden Euro wurden dort auf dem Grund der Ostsee versenkt. Geld, das wir viel besser in Unabhängigkeit Deutschlands von der russischen Gasversorgung gesteckt hätten – und als Grüne darf ich das hier jetzt sagen: das wir es besser in den Ausbau erneuerbarer Energien gesteckt hätten. Aber ich will hier auf keinen Fall einen politischen Vorteil aus dem Krieg ziehen. Ich wünsche mir im Gegenteil einen parteiübergreifenden Schulterschluss aller Verantwortlichen. Ich wünsche mir den Schulterschluss aller Bürgerrinnen und Bürger in Stadt und Kreis Paderborn. Ich wünsche mir, dass alle hier lebenden russischstämmigen Menschen den Krieg verurteilen. Denn die Devise kann nur lauten: Nie wieder Krieg in Europa! Solidarität mit der Ukraine – und Hilfe für die Opfer.
Yorumlar