„Waldsterben“ – das war so ein Schreckensruf in den 80er Jahren: Der saure Regen ließ einstmals dicht bestandene Höhen kahl werden. Die schädlichen Abgase aus den damaligen Braunkohlewerken machten so vielen Bäumen den Garaus, dass es auch für Laien nicht mehr zu übersehen war. Bis heute werden Wälder gekalkt, meist unter großem finanziellen und technischen Aufwand von Hubschraubern aus.
Erneut schlägt der Mensch zu. Waren es damals schwefelhaltige Abgase, ist es heute das heiße und trockene Klima, mit dem vor allem die Fichten nicht zurecht kommen. Fährt man durch die Lande, dann sieht man schon von weitem die trockenen Spieren aus den Wäldern hervorstechen. Förster reagieren mit Zynismus und sprechen von der neuen Sorte, der so genannten Kupferfichte, die seit einiger Zeit hier wachse. Mir fehlt es an derartigen Zynismus. Mir steigen oft die Tränen in die Augen, wenn ich bei meinen vielen Spaziergängen mit meinen Hunden sehe, wie sich der Wald verändert und wie sehr er leidet. Tiefe Spuren tonnenschwerer Erntemaschinen, die ich noch in etlichen Jahren werde bewundern können, tun ihr Übriges.
Hier im Fichtenwald wächst bald gar nichts mehr. Jedenfalls keine betagte Fichte. Es ist schlechterdings zu trocken, als dass die Fichte den ach so bösen Borkenkäfer mit reichlich Harzfluss überwallen könnte. Borkenkäfer? Ach ja, der kleine Übeltäter. Sein Name schallte schon durch Wald und Flur, als das Wort „Klimawandel“ noch niemand wirklich im Munde führte. Aber kein Gedanke folgte der Erkenntnis, dass der Borkenkäfer eines Tages ganze Wälder zum Absterben würde bringen können. War es trocken, hatten die kommunalen oder privaten Waldeigentümer halt einige finanzielle Verluste. War es feucht, war alles gut. Das nennt man vorausschauende Forstwirtschaft.
Jetzt hat der Käfer die Oberhand gewonnen. Und auch andere Organismen sind auf dem Vormarsch und schädigen die Wälder. Zaghafte Versuche, die Douglaise als resistente Alternative zur ohnehin in NRW nicht heimischen Fichte anzusiedeln, wurden unglaublich schnell von der Wirklichkeit überholt. Kaum eine Baumart, die nicht unter Hitze und Trockenheit gemeinsam mit Förstern und Waldbesitzern ächzt und stöhnt. Die finanziellen Verluste sind gewaltig. Panik breitet sich aus.
Was tun?
Ich möchte nicht hämisch sein. Aber hätten wir hier bereits den Nationalpark etabliert, wäre die Situation viel besser: Der Umbau der künstlichen Fichtenwälder in Forste mit heimischen Gehölzen hätte schon weit fortgeschritten sein können. Und grade in den Schutzgebieten gilt: Natur Natur sein lassen. Wald wird es da, wo Wald ist, immer geben, auch im Klimawandel. Die Frage ist, welche Gehölze sich dort etablieren werden. Schließlich weiß die Natur selbst am besten, wie mit den Veränderungen umzugehen ist. Besser jedenfalls als mancher Forstexperte, der von großflächigen Wiederaufforstungen spricht, obwohl es derzeit kaum genügend Setzlinge gibt.
Die Wirtschaft benötigt aber Holz. Während das Käferholz im Massen auf Zügen durch die Lande gefahren wird – angeblich nach Polen und sogar nach China – lautet die bange Frage, ob wir hiesige Dachstühle künftig auch aus hiesigen Gehölzen werden errichten können. Und um es ganz klar zu sagen: Ich möchte auch weiterhin, dass Gebäudeteile, Möbel, Einrichtungen und alle möglichen Gegenstände aus diesem wunderbaren Material gefertigt werden. Unvorstellbar, dass die petrochemische Industrie uns auch noch Lösungen für Dachstühle anbietet, ohne sich im geringsten um eine Entsorgung zu scheren. Land und Meere sind mit hunderten Millionen Tonnen Plastikmüll verseucht.
Holzimporte aus Gegenden, in denen die Worte „Nachhaltigkeit“, „Zertifikate“ und überhaupt schonender Umgang mit Mensch und Natur praktisch Fremdwörter sind, scheiden für mich als Lieferanten aus. Also müssen wir unseren Holzbedarf auch künftig selber decken. Die Antwort sind für mich naturnahe Wälder, die per se gegen Schädlingsbefall schon allein deswegen gefeit sind, weil der Tisch nicht so reichhaltig gedeckt ist. Wo weniger Fichten sind, können auch weniger absterben. Dass das langfaserige Fichtenholz grade im Baubereich sehr wertvoll ist und sich hier Lücken auftun könnten, ist bedauerlich. Aber ich setze auf unseren Erfindungsreichtum. Im Verbund mit anderen Holzsorten und der geschickten Kombination mit den jeweils besten Eigenschaften können hier Werkstoffe entstehen, die dem Stahl und dem Beton gleichermaßen überlegen sind – und die zudem CO2 speichern, statt ihn bei der Herstellung zu erzeugen.
Der wirtschaftliche Schaden durch die letzten trockenen Sommer ist nun einmal da. Der reflexartige Ruf der Betroffenen nach Hilfen für Beseitigung und Neuaufforstung ist unüberhörbar. Jetzt mit der Subventionsgießkanne über das Land zu ziehen und womöglich wieder die Anpflanzung neuer Fichten zu fördern ist aber grundfalsch. Ich persönlich bin ja eine Freundin der Naturverjüngung: Unübersehbar entstehen auf den kahlen Waldflächen schon jetzt neue Bäume, die den Forst von morgen bilden. Wenn wir nachhelfen wollen, dann aber bitte auf der Grundlage jüngster Erkenntnisse. Die bestgeeigneten Sorten werden sich hier schon noch etablieren und auch die späteren Generationen mit Rohstoff und entsprechenden Einnahmen versorgen.
Was ich indes nicht mehr hören will sind die ewiggestrigen Schlaumeier, die Traditionalisten, die immer schon wussten, was für den Wald und seine Bewohner am besten ist und die Empfehlungen von außen in den Wind schlagen. Gemäß dem Motto: „Manche machen 30 Jahre lang Fehler und verkaufen dies dann als Erfahrung“.
Es ist Zeit, umzudenken.
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