„Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist wahrscheinlich die bestmögliche Verfassung, die ein Staat sich im 20. Jahrhundert geben konnte“. So sagte es der Schriftsteller Heinrich Böll bereits im Jahr 1972. Dem stimme ich heute, zum 71. Geburtstag des Grundgesetzes, unumwunden zu.
Wahrscheinlich hätte sich Heinrich Böll ganz schön gewundert, wenn er sehen könnte, dass wir heute für unser Grundgesetz demonstrieren. Seine Artikel, bestehend aus dem Besten, was die damaligen Mütter und Väter hervorbringen könnte, standen praktisch nie infrage, auch wenn es immer wieder Änderungen gegeben hat. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so lernten wir in der Schule den Artikel Nummer 1. Das war und ist in Stein gemeißelt.
Und doch erleben wir in diesen Corona-Zeiten, dass manche Menschen zweifeln. Sind die Einschränkungen in einigen Fällen überhaupt noch mit Menschenwürde vereinbar? Sind die uns gegebenen Freiheitsgarantien nicht allzu leicht beiseite gewischt worden, um ein Virus einzudämmen? Wird nicht bei vielen Bürgern der Eindruck erzeugt, dass das Grundgesetz für den Alltagsgebrauch ja schön und gut ist, aber in der Krise nicht das Papier wert ist, auf dem es steht, weil plötzlich andere Regelungen in Kraft treten? Befinden wir uns eigentlich noch in der Schnittmenge von Grundgesetz und Maßnahmenpaket? Oder läuft die Garantie ab?
Diese Fragen müssen wir uns stellen – und das jeden Tag. Für mich bedeutet das Grundgesetz Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde. Diese Werte machen unsere Gesellschaft aus. Und auf ihrem Fundament diskutieren wir heute und in Zukunft, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen wollen. Das Grundgesetz ist geschrieben worden, um die freie Meinungsäußerung zu garantieren – auch denjenigen, die die ihre als einzig wahre, als Volksmeinung deklarieren.
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