Ich habe ja schon viele an den Haaren herbeigezogenen Argumente gegen den Nationalpark Senne gehört und gelesen – und der lippische CDU-Landtagskandidat Heinrich Zertig fügt sich in seiner jüngsten Erklärung nahtlos in diese Reihe ein. Dass die über 100-jährige militärische Nutzung der Senne diese einmalige Landschaft hat entstehen lassen, unterschreibe ich gerne. Dass aber ausschließlich die weitere Präsenz des Militärs diesen Hotspot der Artenvielfalt wird erhalten können, ziehe ich arg in Zweifel.
Aber es kommt noch besser: Ein Nationalpark hätte keine positiven Auswirkungen auf den Natur- und Landschaftsschutz, versucht er tatsächlich der Öffentlichkeit weiszumachen.
Es war der lippische CDU-Landrat Heuwinkel, der sich seinerzeit für einen Nationalpark in OWL stark machte. Damals gab es eine schwarz-grüne Koalition in Lippe. Jetzt rudert die CDU in die andere Richtung.
Die Sozialdemokrat*innen haben sich dagegen endlich in Richtung pro Nationalpark auf den Weg gemacht. Hoffen wir mal, dass das dann auch Bestand hat auch in einer neuen Fraktion im Landtag.
In dem Reigen verwunderlicher Neuigkeiten rings um das Nationalpark-Projekt entdecken plötzlich die Bürgermeister aus Bad Lippspringe, Schlangen und Hövelhof ihre Liebe zur Senne und gehen ein ehrgeiziges Leader-Projekt an: „Sennehoch3“ heißt der Plan, bei dem diese Kommunen ihren Gemeinschaftssinn entdecken und mit EU-Geldern die einmalige Natur den Besuchern schmackhaft machen. Zumal sie sich schon im gemeinsamen Projekt „Senne mit allen Sinnen“ zusammengefunden haben. Da bin ich doch voll mit dabei. Warum eigentlich nicht gleich richtig konsequent sich auch für den Nationalpark aussprechen? Ein Nationalpark soll ja in die Natur führen, soll alle Sinne ansprechen. Die genannten Projekte sind für mich die idealen Wegbereiter für den Nationalpark. Die Synergie-Effekte werden sich sicherlich nutzen lassen. Wertvolle Erfahrungen sind immer willkommen.
Einer dieser Sinne, den die beteiligten Anrainerkommunen mit ihrem Senne-Projekt ansprechen, ist das Ohr. Das aber wird in diesen Tagen reichlich strapaziert. Röhrende Panzermotoren, Geschütz-Dauerfeuer: Es rummst und wummert derart, dass das Geschirr in den Schränken klirrt. Seit über 100 Jahren ertragen die Menschen in der Region den Lärm des Truppenübungsplatzes. Und allmählich reicht es. Denn die Natur hat sich nicht wegen der militärischen Nutzung so entwickelt, sondern trotz der Nutzung. Nur ein Nationalpark kann die Schutzfunktion so erfüllen, wie es dieses Landschaftskleinod mit seiner einmaligen Artenvielfalt verdient.
Und bitte: Dann wird noch zum Verhindern eines Nationalparks die Kalte-Kriegs-Keule herausgeholt. Als wirksame geostrategische Maßnahme sollte Nordstream2 beendet werden. Das wäre die richtige Antwort auf Putin und auch besser für das Klima. Und für Klimaschutz und Artenvielfalt, die unsere Lebensgrundlagen sichern, braucht es den Nationalpark.
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