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Tag der Pressefreiheit



„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“ – so formulierte es Hiram Johnson, damaliger Gouverneur von Kalifornien, zu Beginn des ersten Weltkriegs. Umso wichtiger ist es, dass eine freie Presse immer wieder die Wahrheit hinter den Worten aufspürt, die heute so allgegenwärtig, unüberschaubar und oft großer Wucht durch die sozialen Medien geschickt werden. Der heutige Tag der Pressefreiheit mahnt darum alle Demokraten, sich der unabhängigen Presse in ihrem Land, in ihrer Stadt zu versichern und sich immer wieder ihrer Existenzberechtigung zu vergegenwärtigen. Das ist umso wichtiger, wenn einem klar wird, dass Deutschland im weltweiten Ranking nicht Platz 1, sondern erst Platz 11 in der Rangliste der Pressefreiheit einnimmt – übrigens noch hinter Jamaika und Costa Rica. Es ist also noch Luft nach oben.

Einige Staatenlenker behaupten, man führe einen Krieg gegen einen Virus. Und wenn man sich die allgegenwärtigen Einschränkungen anschaut, die das Corona-Virus mit sich bringt, dann möchte man ihnen fast zustimmen. Wenn aber was für ein Krieg auch immer ausgerufen wird, dann muss die Frage erlaubt sein, ob auch hier die Wahrheit ein erstes Opfer ist, wie Hiram Johnson es einst formulierte. Sieben Wochen herrscht ein noch nie dagewesener Ausnahmezustand. Und seit sieben Wochen starren kritische Geister fassungslos auf die Zeitungsspalten, hören die Berichte, sehen die Experten Befürchtungen äußern und lesen endlose Statistiken und wie diese zu deuten seien. Aber seit sieben Wochen fehlt mir die kritische Aufarbeitung der Presse mit diesen Zahlen und vor allem mit diesen viel zu stark einschneidenden Maßnahmen.

Die Menschen dürsten nach Informationen. Sie sind verunsichert und wollen wissen, wie sie sich zu verhalten haben. In dieser wenn auch noch nie dagewesenen Situation wurde der Großteil der Presse zum Verlautbarungsorgan des Robert-Koch-Instituts, zum bloßen Mikrofonhalter der Länderchefs. Zur Erinnerung: Man durfte in Bayern zeitweise nicht allein auf einer Parkbank sitzen. Und niemand hat die Logik dieser stark freiheitsbeschränkenden Maßnahme hinterfragt. Medienvertreter nicht – und das geschockte Volk auch nicht. Das kann und darf so nicht sein.

Gleichzeitig bricht die große Stunde der Experten an. Plötzlich sind die Namen und Gesichter von Virologen einer breiten Masse bekannt. Sie sollen den politisch Verantwortlichen mit Rat zur Seite stehen. Dass diese Fachleute aber das alleinige Sagen haben in der Frage, welche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus die einzig richtigen und in der Not geboren auch zulässigen sind, führt in die falsche Richtung. Der Politologe und Historiker Herfried Münkler spricht bereits von einer Expertokratie und einer „Diktatur der Virologen“, denen die kritische Aufmerksamkeit der Medien gelten sollte.

Der Online-Journalismus ist Teil der Misere. Der erste Infizierte im Kreis, der erste Tote: Möglichst schnell und wenn irgend möglich vor allen anderen soll die nächste Corona-News in die Welt. Ungeprüft und unhinterfragt. Dabei spielt dieser Online-Journalismus grade denen in die Hände, die den Qualitätsjournalismus abschaffen und von Lügen- oder Systempresse reden. Trump und die AfD sind da die besten Beispiele: Deren Aussagen, so dumm und inhaltsleer sie sein mögen, verschaffen den Medien vermeintliche Reichweite. Ein Teufelskreis, wenn nicht eine kritische oder ich möchte an dieser Stelle sagen: besonnene Recherche gegensteuert.

Grade wir Grünen haben es in der Berichterstattung nicht immer leicht. Berichte über die Sitzung des Länderrats am Samstag fallen wohlwollend aus – aber auch nur, weil wir es erstmals geschafft haben, einen Parteitag rein digital abzuhalten. Inhalte werden davon überstrahlt. Und vor Ort? Da warten wir mitunter wochenlang darauf, dass ein eingereichter Bericht, ein Antrag oder eine Stellungnahme einigermaßen gut in den Zeitungen platziert wird. Ein von uns Grünen angefertigtes Interview mit unserem Paderborner Bürgermeisterkandidaten Klaus Schröder zum 75. Jahrestag der Zerstörung Paderborns wandert gleich in den Rundordner. Warum werden nicht alle Bürgermeisterkandidaten inklusive Amtsinhaber zu diesem Wichtigen Thema befragt? Zeit, ein entsprechendes Format zu entwickeln, gab es genug. Und der Anlass erscheint mir ungeheuer wichtig.

Aber die Presse ist frei, sie hat das Recht, die grünen Themen auf ihre eigene Art zu bewerten und damit anders, als wir es selbst tun würden. Diese Freiheit ist Teil des Ganzen und wir müssen aufpassen, hier keinen moralischen Druck auszuüben. Es gilt, was immer galt: Wertvolle Parteiinformationen, gute Anträge, starke Forderungen und vor allem brillante Ideen zur Gestaltung unserer grünen Arbeit gehören zu unseren Aufgaben, mit denen wir den politischen Mitbewerber zu überflügeln gedenken. Qualität setzt sich am Ende immer durch. Das gilt für die politische Qualität wie auch für den Qualitätsjournalismus.

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