Cannabis, Alkohol, Nikotin, Glückspiel oder die Dauerbeschallung der elektronischen Medien: Kindern und Jugendlichen drohen viele Suchtgefahren. LOBBY ist die Anlaufstelle für junge Menschen in Konfliktsituationen. Im Gespräch mit den Mitarbeiter*innen ging es nicht nur um den Austausch: Schnell waren wir tief in die Thematik eingetaucht und hatten am Schluss einige gute Ideen, an welchen Stellen wir den gestiegenen Bedarfen besser gerecht werden können.
Bedarf seit Corona gestiegen
Gegen die Drogengefährdung von Kindern und Jugendlichen kämpft die Anlaufstelle des Caritasverbandes Paderborn bereits seit 1999. Aber „das Thema hat sich nach Corona nochmal verändert und ist viel breiter geworden“, erklärt es Michael Hartmann. Insbesondere die elektronischen Medien werden immer mehr gepusht. Der Grund: In der Corona-Zeit hatten die jungen Menschen keinen Zugang zu einen Hilfesystem und waren ausschließlich auf Handy und Co. angewiesen. Bereits ab der dritten Klasse haben fast alle Schüler*innen Handys und sie wissen kaum, wie man Filme von sich vor Zugriff schützen kann.
Qualmen erlebt eine Renaissance
Ebenfalls neu sind die steigenden Raucherzahlen: Vapes mit und ohne Cannabis, mit und ohne Nikotin sind überall präsent, Qualmen erlebt eine regelrechte Renaissance.
Per Schulveranstaltungen junge Menschen erreichen
Wichtiges Mittel der Wahl sind für LOBBY die Schulveranstaltungen. 270 waren es allein im vergangenen Jahr: alle Schulformen werden aufgesucht und das Interesse auf allen Seiten ist groß. „Wenn ein jugendlicher Häftling vor Schülern über seinen Absturz berichtet, hört man die Stecknadel fallen“, so Hartmann. Dass aufmerksam zugehört wird, lässt sich durch die Zahl der Rückmeldungen feststellen: Manche*r Schüler*in stellt später einen Kontakt her und sucht um ein Gespräch nach, weil eine erste Vertrauensbasis geschaffen wurde. 442 sprachen 2023 vor, 70 Prozent von ihnen waren männlich. Angesichts von vier Stellen ist die Auslastung dementsprechend hoch, weiß Dominik Neugebauer, Leiter der Suchtkrankenhilfe der Caritas.
Neutral wie die Schweiz
„Wir sind die neutrale Schweiz“, betont Kerstin Thenhaus. Denn LOBBY gibt weder Hausaufgaben auf, noch spricht man Strafen aus. Zudem gibt es eine Schweigepflicht, die nur in schwerwiegenden Fällen nicht gilt. Eine altersmäßige Obergrenze für Hilfesuchende liegt theoretisch bei 18, es gibt aber gewissen Freiheiten, „die saubere Weitervermittlung ist wichtig“, so Neugebauer. Überhaupt ist LOBBY mit den anderen Hilfegruppen in Paderborn gut vernetzt, für die Klärung eines Problems reicht manchmal ein Anruf.
Fehlende U-18-Therapieplätze
Hauptproblem sind die fehlenden Therapieplätze für Menschen unter 18. Die LWL in Marsberg hat drei, in Hamm gibt es zwölf für den Entzug, der LVR Viersen hat 15 Plätze, wo es auch ein sechsmonatiges Therapieangebot gibt. Angesichts steigenden Bedarfs „fahren wir bis Hamburg und weiter“, so Michael Hartmann. „Wichtig ist auch die ambulante Therapie“, berichtet Kerstin Thenhaus von Versuchen, über den ärztlichen Notfalldienst wenigstens einen ersten Kontakt herzustellen, „aber es sind keine Therapeuten zu bekommen“.
Idee: Psychologen selbst einstellen
Zwei Wünsche äußert die Gruppe am Ende des Gesprächs: Sie würden gerne mehr Kapazitäten in die Schulprävention stecken, weil so die besten Kontakte hergestellt werden können. Die personelle Obergrenze ist aber erreicht. Ähnliches gilt für fehlende Therapeuten. Der Gedanke, ob man einen Psychologen direkt einstellen könnte, wurde gerne aufgenommen, „das wäre mega“,so Thenhaus. Denn laut einer bayrischen Studie spart ein Fall in der Suchtberatung den sozialen Systemen später Kosten in Höhe von 22 000 Euro.
Comments